Konflikte begegnen uns in den verschiedensten Lebensbereichen, sei es im privaten oder auch im öffentlichen Bereich. Gerade bei großen Bauvorhaben, die Auswirkungen auf das persönliche Lebensumfeld haben, kommt es oftmals zu Meinungsverschiedenheiten. Auch bei Bürgerbeteiligungsverfahren können sich Diskussionen zu einem handfesten Konflikt verschärfen. Um Konflikte aufzuarbeiten, gibt es Methoden wie die Mediation, die Streitparteien dabei helfen kann, zu einer Win-Win-Lösung zu gelangen.
Ein Mediationsverfahren kann zu jedem Zeitpunkt durchgeführt werden, wenn Konflikte sichtbar werden. Voraussetzung ist jedoch, dass die involvierten Akteure an einer Lösungsfindung interessiert sind und ein gewisser Handlungsspielraum für eine gemeinsame Lösung vorhanden ist. Ziel ist die Erarbeitung einer Vereinbarung, die alle Parteien akzeptieren können.
Gruppengröße: 2-100 Personen
Zeitrahmen: meist mehrere Sitzungen à 1,5 bis 4 Stunden
Kosten: Honorar für Mediator(en), ggf. Raummiete und Catering
Zielgruppe: alle Parteien eines Konflikts (z.B. Unternehmen, Anwohner, Bürgerinitiativen etc.)
Grad der Beteiligung: Konfliktbearbeitung/Kooperation
Vorläufer der heutigen Mediation gibt es schon sehr lange. In verschiedensten Ländern und Epochen lassen sich Hinweise auf Personen finden, die zwischen Streitparteien vermittelten. Das moderne Mediationsverfahren verbreitete sich ab den 1970er Jahren erst in den USA und schließlich auch in Deutschland.
Mediation wird in vielen Bereichen zur Konfliktlösung angewandt – im privaten Bereich (z. B. bei Scheidungen) genauso wie im beruflichen Kontext (z. B. zwischen Abteilungen). Die verwendeten Techniken sind vielseitig und lassen sich bei vielen Arten von Konflikten anwenden.
An oberster Stelle steht dabei, dass die Interessen aller Parteien gleichermaßen Beachtung finden und die Konfliktparteien mit der selbst erarbeiteten Vereinbarung zufrieden sind. Dabei kann eine Lösung auch sein, dass ein Projekt nicht fortgeführt wird oder zwischen den Parteien in Zukunft kein Kontakt mehr besteht.
Der Mediator fungiert als neutraler und allparteilicher Leiter durch den Prozess. Er ist dafür verantwortlich, eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu schaffen, in der alle Parteien das sagen können, was ihnen auf dem Herzen liegt. Er ist stets für den Ablauf der Mediation verantwortlich und gibt dem Prozess einen Rahmen, in dem die Medianden eigenständig das Ergebnis bzw. die Lösung erarbeiten. Häufig ist der Auslöser für einen Konflikt nicht der offensichtlich erkennbare Streitpunkt, der nach außen getragen wird. Die wahren Gründe für einen Konflikt sitzen oft viel tiefer und kennzeichnen sich durch nicht sichtbare und nicht kommunizierte Sorgen oder unerfüllte Bedürfnisse. Aufgabe des Mediators ist es daher, im Mediationsprozess an die tatsächlichen Ursachen des Konfliktes zu gelangen. Er hört sich alle Seiten an und gibt jeder Partei genügend Zeit und Raum, um ihre Bedenken, Befürchtungen und Interessen zu äußern. Das dient auch dem Effekt, dass die Konfliktparteien in einem geordneten Gespräch – möglicherweise zum ersten Mal – die Sichtweise der anderen Seite hören.
Ein Mediationsverfahren erfordert häufig einige Sitzungen. Wie viele Treffen genau notwendig sind, ist vorher nur schwer abzusehen, da dabei viele Faktoren wie die Anzahl der beteiligten Akteure und die Komplexität der Themen mit hineinspielen.
Prinzipien:
Initiierung: Zunächst muss bei allen Beteiligten die Bereitschaft festgestellt werden, an einer Mediation teilzunehmen. Ist eine Partei nicht bereit dazu, können die anderen Parteien überlegen, ob sie auch ohne deren Teilnahme tragfähige (Teil-) Lösungen finden können und möchten. Dann sollte ein passender Mediator oder ein Mediatorenteam gesucht werden. Dies geschieht am besten gemeinsam – mindestens müssen jedoch alle Medianden mit der Wahl einverstanden sein. Vor dem Start der Mediation muss zudem klar sein, wer die Kosten trägt.
Durchführung: Der Mediator wird mit den Beteiligten zunächst eine Sammlung von zu besprechenden Themen erarbeiten. Anschließend werden diese Punkt für Punkt abgearbeitet. Sind die Konfliktthemen beigelegt und können die Parteien wieder auf eine konstruktive Art und Weise miteinander sprechen, können sie gemeinsam nach Lösungsoptionen für die verschiedenen Teilfragen suchen. Sind alle Parteien mit den Lösungen einverstanden, werden sie auf ihre Umsetzbarkeit geprüft und in einer Vereinbarung festgehalten. Wenn diese Vereinbarung rechtliche Auswirkungen hat, sollten die Parteien die Vereinbarung vor Abschluss juristisch prüfen lassen.
Nachbereitung: Nun gilt es, die Vereinbarung umzusetzen und das aufgebaute Vertrauen zwischen den Medianden zu erhalten und zu stärken. In manchen Fällen ist eine Testphase sinnvoll, in der die erarbeiteten Lösungen erprobt werden und sie nach einer gewissen Zeit noch einmal bei einem weiteren Treffen besprochen werden.
Der Gesetzgeber hat die Aufgaben und Pflichten des Mediators im Bundes-Mediationsgesetz geregelt. Zudem gibt es Vorgaben für die Ausbildung. Nur wer diese erfüllt, darf sich „zertifizierter Mediator“ nennen. Der Begriff des Mediators an sich ist nicht geschützt.
2009 gab es in der Nähe des sich zu dem Zeitpunkt seit knapp zwei Jahren in Betrieb befindenden Geothermiekraftwerks Landau ein Erdbeben der Stärke 2,7, das laut einer von der rheinland-pfälzischen Landesregierung einberufenen Expertenkommission vom Kraftwerk verursacht worden war. Dies sorgte für viel Kritik an der Technologie. Es gründeten sich Bürgerinitiativen in Landau selbst sowie an weiteren für Geothermievorhaben zur Diskussion stehenden Orten. Daraufhin initiierte die Landesregierung Ende 2010 ein Mediationsverfahren. Dies sollte Informationen zusammentragen, Chancen und Risiken ermitteln und bewerten sowie eine erste Abwägung von ökonomischem und ökologischem Nutzen und den ökologischen Risiken der tiefen Geothermie vornehmen. Es wurde ein Mediator sowie für die Organisation und Durchführung zusätzlich eine Beteiligungsagentur engagiert.
Zunächst wurden Vorgespräche mit den Konfliktparteien, den Geothermieunternehmen und den Bürgerinitiativen, geführt. Die Landesregierung und die Standortkommunen verstanden sich nicht als Konfliktparteien. Aufgrund dessen wurde die Konstellation in zwei Kreise aufgeteilt: Im inneren Kreis diskutierten die Konfliktparteien. Die Teilnehmer des äußeren Kreises (Standortkommunen, Behörden und sonstige Interessierte) fungierten eher als Beobachter und hatten kein Rederecht, außer, es wurde ihnen erteilt. Der innere Kreis bestand aus mehreren Bürgerinitiativen, die ihre Plätze dreifach besetzen konnten, damit sich die ehrenamtlich Engagierten das Fachwissen aufteilen konnten, aus Vertretern der Geothermieunternehmen sowie auf Vorschlag des Mediators aus drei neutralen Personen aus Kirche, kommunalem Spitzenverband und einer Stiftung. Zwei Bürgerinitiativen entschieden sich, nicht am Mediationsverfahren teilzunehmen.
Die Mediationsgruppe traf sich zu acht Sitzungen, verteilt über 15 Monate (2011 bis 2012). Zusätzlich wurde eine nicht-öffentliche Arbeitsgruppe eingerichtet, die die Themen konkretisierte und vorläufige Empfehlungen erarbeitete. Sie kam für sechs Treffen zusammen. Bei den Mediationssitzungen in großer Runde wurden Medienvertreter zugelassen. Es bestand die Option, sie bei der Thematisierung von Unternehmensinterna auszuschließen. Diese wurde jedoch im Laufe des Verfahrens nicht genutzt. Am äußeren Kreis konnten alle interessierten Personen teilnehmen.
Der Mediator schlug vor, das Verfahren auf zwei Ebenen aufzuteilen: Auf der übergeordneten Ebene wurden standortübergreifende Themen diskutiert. Auf der lokalen Ebene konnten, wenn gewünscht, Mediationen zu einzelnen Standorten durchgeführt werden. Dies wurde bei einem umstrittenen Standort versucht. Die Gespräche scheiterten jedoch.
Die Vorgehensweise der Mediation bestand darin, dass zunächst die zu klärenden Themen für jedes Oberthema gesammelt wurden. Zu den Themen wurden jeweils externe Experten genannt und zu Expertengesprächen eingeladen. Dabei wurden die Themen nach Schwierigkeitsgrad sortiert und die umstrittensten ans Ende gestellt. Nach der Expertendiskussion bereitete das Mediationsbüro ein Ergebnispapier vor und gab dies in die Arbeitsgruppensitzung, an der meist nur noch einer der Experten teilnahm. Dort wurde das Papier Schritt für Schritt durchgearbeitet.
Das Ergebnis des Mediationsverfahrens war eine Vereinbarung mit fünf Schwerpunkten. Zunächst schilderten die Konfliktparteien ihre unterschiedlichen Sichtweisen auf die ökonomische und ökologische Bewertung der Energiegewinnung aus tiefer Geothermie. Anschließend wurden (gemeinsame) Empfehlungen für die Standortsteuerung unter Beteiligung der Bürger und für den Schutz vor Schadstofffreisetzungen und vor Lärm sowie für das Thema Erdbebenrisiko und Gebäudeschäden formuliert. Enthalten waren sowohl Forderungen an die Landesregierung und -verwaltung als auch technische Anforderungen an Errichtung und Betrieb der Kraftwerke. Die Vereinbarung wurde im Mai 2013 unterschrieben, nachdem noch einige Stellungnahmen zu den Ergebnissen gesammelt worden waren. So sicherte die Landesregierung zu, möglichst vielen der Forderungen nachzukommen. Für die Bürgerinitiativen stellte diese Vereinbarung jedoch eher ein Zwischenergebnis dar, bis die Ergebnisse auch wirklich umgesetzt sind.
Am Ende wurden zwar nicht alle, aber viele Aspekte geklärt und diejenigen identifiziert, über die weiter gesprochen werden musste, um auch für sie Lösungen zu finden. Dazu wurde ein Geothermie-Forum eingerichtet, das die Maßnahmen begleiten und die offenen Punkte diskutieren sollte. Unter anderem sollte es die Erstellung eines Gutachtens zum Thema eines Bürgerentscheids über Geothermievorhaben begleiten.
Das Beispiel der Mediation Tiefe Geothermie in der Vorderpfalz zeigt, wie ein kontroverses Thema in einer Mediation so aufgearbeitet werden kann, dass es auf konstruktive Weise diskutiert werden kann. Auch wenn am Ende nicht alle grundlegenden Meinungsverschiedenheiten ausgeräumt werden konnten, so wurde dennoch eine neue Art des Umgangs etabliert und einige wichtige Lösungsansätze erarbeitet. Interessant war auch, dass drei neutrale Personen am Verfahren teilnahmen. Diese konnten in festgefahrenen Situationen neue Anstöße geben. Das Mediationsverfahren war ein großes Projekt mit verschiedenen Ebenen, das sich über mehr als ein Jahr erstreckte. Dennoch lassen sich auch für kleinere Verfahren Anregungen daraus mitnehmen.
Wenn es viele Konfliktbeteiligte gibt, bietet es sich an, die Mediation mit Stellvertretern der verschiedenen Gruppen durchzuführen. Es sollte sichergestellt werden, dass alle beteiligten Gruppen repräsentiert oder zumindest eingeladen werden. Dies gilt auch für Bürger, die nicht in Bürgerinitiativen organisiert sind.
Wegweiser Bürgergesellschaft: Mediation: https://www.buergergesellschaft.de/mitentscheiden/methoden-verfahren/konflikte-bearbeiten-standpunkte-integrieren/mediation/
Praxisbeispiel: Ergebnisse der Mediation Tiefe Geothermie Vorderpfalz: https://team-ewen.de/files/abschlussdokument.pdf
Praxisbeispiel: Beschreibung der Mediation durch die Beteiligungsagentur: https://www.team-ewen.de/files/mediation_tiefe_geotherme_in_der_vorderpfalz.pdf