Schriftliche Befragung und Umfragen

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Schriftliche Befragung zur Erhebung des Stimmungsbildes

Abbildung: Schriftliche Befragung

Umfragen dienen dazu, das Stimmungsbild der Bevölkerung einzufangen. Gerade Medien greifen diese Ergebnisse oft in ihrer Berichterstattung auf. In Beteiligungsprozessen werden sie zudem eingesetzt, um repräsentative Ergebnisse zu erhalten, die erste Anknüpfungspunkte für die weitere Diskussion bilden können.

 

Eine schriftliche Befragung kann zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Planungs- bzw. Entwicklungsprozess durchgeführt werden. Oft dienen ihre Ergebnisse als erster Anknüpfungspunkt für eine Diskussion, sie kann aber auch die Meinung der Bürger zu Zwischenergebnissen einholen. Am Ende eines Beteiligungsverfahrens kann zudem abgefragt werden, wie zufrieden die Bürger mit dem Ablauf des Verfahrens waren. Befragungen eignen sich nicht, um Konflikte zu lösen; die durch sie gewonnenen Erkenntnisse können bei konfliktreichen Themen jedoch zur Differenzierung der Diskussion eingesetzt werden.

 
Gruppengröße: bis zu mehrere Tausend Personen können angeschrieben werden; um verlässliche Ergebnisse zu bekommen, sollte, je nach Größe der Zielgruppe, eine Teilnehmerzahl von mindestens 200 bis 400 Personen erreicht werden

 

Zeitrahmen: Mehrere Monate (Erhebungszeitraum ca. 2 Monate)

 

Kosten: Honorar für einen professionellen Anbieter oder Kosten für Versand und/oder Online-Hosting der Umfrage

 

Zielgruppe: Repräsentative Auswahl der Einwohner einer Kommune oder Personen, die von dem Thema der Befragung betroffen sind

 

Grad der Beteiligung: Konsultation


Hintergrund und Prinzipien

Bevölkerungsumfragen sind ein fester Bestandteil der deutschen Forschungs- und Medienlandschaft. Zu fast allen großen – und kleinen – gesellschaftlichen Themen werden Umfragen durchgeführt. Damit eine Umfrage Grundlage eines Beteiligungsprozesses werden kann, müssen einige Aspekte beachtet werden. Eine fehlerhaft vorbereitete und durchgeführte Befragung kann das Meinungsbild in der Bevölkerung falsch widergeben. Werden diese Ergebnisse dann als Grundlage für das weitere Verfahren genutzt, kann dies erhebliche, negative Auswirkungen auf den gesamten Beteiligungsprozess haben.

 

Eine schriftliche Befragung kann entweder zu einem aktuellen Thema, über das im anschließenden Beteiligungsverfahren diskutiert werden soll, durchgeführt werden oder es werden – zum Beispiel bei größeren Entwicklungsprozessen – mehrere Themen behandelt. Um die angeschriebenen Personen zur Teilnahme zu bewegen, muss ihnen der Gegenstand der Befragung wichtig und von Interesse erscheinen.

 

Durchführenden von schriftlichen Befragungen sollte bewusst sein, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht nur seltener an Beteiligungsveranstaltungen teilnehmen, sondern auch seltener an Befragungen. Um diese Verzerrung auszugleichen, können die Ergebnisse zum Beispiel in Hinsicht auf bestimmte Merkmale gewichtet werden.

 

Schriftliche Befragungen können aus einem postalisch versendeten oder einem online-basierten (d. h. auf einer Webseite auszufüllenden) Fragebogen bestehen. Zwar haben postalische Befragungen tendenziell eine höhere Rücklaufquote, mit Online-Befragungen lassen sich jedoch andere, jüngere, dafür aber fast ausschließlich internetaffine Zielgruppen erreichen. Beide Methoden lassen sich verbinden, indem sich die Teilnehmer das Medium aussuchen können.

 

Befragungen können natürlich auch telefonisch oder im persönlichen Gespräch durchgeführt werden. Allerdings sind schriftliche Befragungen kostengünstiger, anonymer und die Fehlerquelle des Interviewers entfällt. Obwohl es auch Vorteile der anderen Befragungsarten gibt (z. B. können Fragen bei Bedarf erläutert werden), sind schriftliche Befragungen gerade für kleine und mittlere Kommunen besser durchführbar.

 

Die Rücklaufquote eines Fragebogens kann je nach Thema und Zielgruppe stark variieren. Laut Natalja Menold (2017) sind bei mehrmaliger Erinnerung Rücklaufquoten von 30 bis 40 Prozent bei schriftlichen Befragungen durchaus möglich. Auch durch Anreize, wie zum Beispiel einem beigelegten Rabattgutschein für das städtische Schwimmbad, lässt sich die Teilnahmebereitschaft erhöhen.

 

Prinzipien:

  • Keine Verbindlichkeit der Ergebnisse: Im Gegensatz zu einem Bürgerentscheid besitzt eine Befragung keine demokratische Legitimation. Ziel einer schriftlichen Befragung ist es, die Meinung der Bevölkerung zu erheben. Es handelt sich dabei um keine verbindliche Abstimmung zu dem Thema und dies sollte im Anschreiben deutlich gemacht werden.
  • Abfrage verschiedener Aspekte des Themas: Wird lediglich eine Ja-Nein-Frage gestellt (z. B. „Soll das Projekt umgesetzt werden oder nicht?“), eignen sich die Ergebnisse nicht für eine weitere, differenzierte Diskussion. Denn ein Bürgerbeteiligungsverfahren baut gerade auf den grundlegenden Interessen der Teilnehmer auf, die in einem solchen Falle ignoriert würden.
  • Einladende Gestaltung: Fragebogen und Begleitbrief sollten ansprechend gestaltet werden, um die Menschen zur Teilnahme zu animieren. Dazu gehört ein leserfreundliches Design, das jedoch auch einen offiziellen und damit seriösen Charakter hat (durch das Stadtwappen und die Unterschrift des Bürgermeisters).
  • Anonymität: Von den Ergebnissen der Befragung dürfen keine Rückschlüsse auf konkrete Personen möglich sein. Antworten und personenbezogene Daten werden getrennt gespeichert.

Ablauf

Vorbereitung:

Zunächst wird das Ziel der Befragung formuliert. Dann wird der Fragebogen entwickelt und inhaltlich mit den verantwortlichen Personen abgestimmt. Wichtig ist es, den Fragebogen von ein paar mit dem Thema nicht vertrauten Personen testen zu lassen, um zu prüfen, ob er verständlich ist, und etwaige vermeidbare Fehler noch vor Beginn der tatsächlichen Befragung zu beheben.

 

Durchführung:

  • Ziehung der Stichprobe: Aus den Daten des Meldeamts oder einer anderen Datenquelle wird eine Stichprobe in gewünschter Höhe gezogen. Diese ergibt sich aus gewünschter Teilnehmerzahl und erwarteter Rücklaufquote. Sollen Erinnerungen an die Befragung gezielt verschickt werden, kann an dieser Stelle jeder ausgelosten Person mittels eines Schlüssels eine (zufällige) Nummer zugeteilt werden. Die Nummern und Personendaten werden getrennt gespeichert. Bei der Auswertung ist also kein Rückschluss auf die befragte Person möglich. Bei Verwendung dieses Verfahrens sollte es im Anschreiben ausführlich erläutert werden.
  • Versand der Fragebögen: Alle ausgelosten Personen bekommen den Fragebogen samt Begleitbrief und frankiertem Rückumschlag zugeschickt. Im Begleitbrief werden der Zweck der Erhebung sowie die Auswahl per Zufallsverfahren erläutert und betont, wie wichtig eine Teilnahme ist. Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Befragung freiwillig und anonym ist, sowie geschildert, was mit den Ergebnissen passiert bzw. wo sie gegebenenfalls veröffentlicht werden.
  • Nachfassen: Eine Woche nach dem erstmaligen Versand des Fragebogens sollte an alle die erste Erinnerung, inklusive Dank an diejenigen, die schon teilgenommen haben, versandt werden. Im Abstand von jeweils ein paar Wochen kann noch ein- bis zweimal nachgefasst und der Fragebogen noch einmal beigelegt werden. Dann erfolgt die Erinnerung am besten nur an die Personen, die noch nicht teilgenommen haben, wenn dies durch die Verwendung von Codenummern möglich ist.
  • Datenerfassung: Die Fragebögen werden ausgewertet und die Daten in ein Datenerfassungsprogramm übertragen.
  • Datenanalyse: Die Daten werden übersichtlich aufbereitet und Schlussfolgerungen gezogen.

 

Präsentation:

Die Ergebnisse der Befragung werden entweder auf der nächsten Veranstaltung im Rahmen des Beteiligungsverfahrens vorgestellt oder bereits vorab durch den Internetauftritt der Stadt und in den Lokalmedien kommuniziert.


Hinweise

Bei einem online-basierten Fragebogen ändert sich der Ablauf gegenüber einer postalischen Befragung nur insoweit, als dass der Begleitbrief per Post mit einem Hinweis auf den Online-Fragebogen verschickt wird. Am besten bekommt jede ausgewählte Person ein persönliches Passwort, mit dem sie Zugriff auf den Fragebogen erhält.


Praxisbeispiel: Befragung zum Energiekonzept in Schwedt/Oder

Die brandenburgische Stadt Schwedt/Oder beschloss 2013, unter dem Motto „Schwedt – Stadt voller Energie“ ein kommunales Energiekonzept zu entwickeln. In den Prozess sollten auch die Bürger einbezogen werden. Dazu wurden 2014 und 2015 insgesamt drei Workshops und zwei Befragungen durchgeführt. Die erste Befragung sollte die Meinung der Bürger zu den Parametern des Energie- und Klimaschutz-Leitbilds der Stadt ermitteln. In einem zweiten Fragebogen konnten die Schwedter die Maßnahmen des kommunalen Energiekonzeptes bewerten. So wurde im ersten Fragebogen zum Beispiel gefragt: „Welchen Stellenwert haben die erneuerbaren Energieträger in Zukunft bei der Energieerzeugung?“ und „Welchen Stellenwert sollen erneuerbare Energieträger Ihrer Meinung nach einnehmen?“. Diese erste Befragung wurde im Anschluss an den ersten Workshop durchgeführt, wo der Ist-Zustand der Stadt Schwedt/Oder im Bereich Energie erläutert worden war. Die Ergebnisse wurden im zweiten Workshop präsentiert und diskutiert. Die zweite Befragung fand nach diesem zweiten Workshop statt und die Ergebnisse wurden wiederum im dritten abschließenden Workshop vorgestellt. Beide Fragebögen waren online-basiert, konnten aber auch ausgedruckt im Rathaus abgegeben oder zu den Veranstaltungen mitgebracht werden. Eine Zufallsauswahl und ein postalischer Versand der Fragebögen fanden nicht statt.

 

Die Ergebnisse der Befragung zu den Leitbildfaktoren flossen in das Energiekonzept ein und wurden dort explizit erörtert. Die Bewertung der Maßnahmen mittels des zweiten Fragebogens wurde dagegen nicht gesondert erwähnt und sollte wohl eher zur Information der handelnden Akteure dienen. Inwieweit die Teilnehmer der zweiten Befragung wussten, was mit diesen Ergebnissen geschieht, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Der gesamte Prozess des kommunalen Energiekonzeptes wurde von einer auf die Entwicklung von Energiekonzepten spezialisierten Agentur durchgeführt. Diese übernahm auch die Erarbeitung und Auswertung der Fragebögen.

 

Die Einbeziehung der Bürger in das kommunale Energiekonzept der Stadt Schwedt/Oder ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie durch eine schriftliche Befragung Prioritäten abgefragt und Maßnahmen bewertet und die Befragungen sinnvoll in den gesamten Prozess eingebunden werden können. Allerdings nahmen nur wenige Bürger an den Befragungen und den Workshops teil. Dass die Befragungen online für alle angeboten wurden, ohne persönliche Auswahl, Einladung und Erinnerung, könnte Teil dieses Problems gewesen sein. Man sollte den Aufwand einer Befragung daher nicht allzu überschaubar halten.


Praxistipps

Eine schriftliche Befragung angemessen durchzuführen, kann durchaus viel Aufwand bedeuten. Es kann daher sehr sinnvoll sein, dies von Fachleuten übernehmen zu lassen. Dies kann ein professioneller Anbieter sein, aber auch die Zusammenarbeit mit einer regionalen Hochschule kann eine wertvolle Hilfe darstellen.

 

Die Verteilung von geschlossenen Fragen mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten und offenen Fragen, zu denen die Teilnehmer selbst Antworten formulieren können, sollte im Hinblick auf den Auswertungsaufwand festgelegt werden. Offene Fragen können Meinungsbilder zwar differenzierter abfragen, bereiten jedoch auch deutlich mehr Mühe bei der Auswertung.


Interessante Links und Literatur zum Thema schriftliche Befragung

  • http://www.faktor-i3.de/kek_brandenburg/stadt_schwedt_oder/index.html (Praxisbeispiel Schwedt/Oder)

 

  • Menold, Natalja (2017): In: P. Patze-Diordiychuck, J. Smettan, P. Renner, T. Föhr (Hrsg.): Methoden Handbuch Bürgerbeteiligung. Band 1: Beteiligungsprozesse erfolgreich planen. München: oekom, S. 74-89.