Mit Hilfe eines partizipativen Szenarioworkshops werden mehrere mögliche Szenarien für einen Themenkomplex entwickelt. Da diese aus der Kombination verschiedener Einflussfaktoren abgeleitet werden, können Stellschrauben für gewünschte Entwicklungen sichtbar gemacht werden. Daraus lassen sich entsprechende Handlungsempfehlungen schlussfolgern. Für einen kommunalen oder regionalen Entwicklungsprozess bilden die Ergebnisse eines Szenarioworkshops eine hilfreiche Grundlage.
Ein Szenarioworkshop ist meist eins der Herzstücke eines Entwicklungsprozesses, da hier detaillierte Szenarien und passende Maßnahmen entwickelt werden. Konflikte lassen sich in seinem Rahmen jedoch nur bedingt behandeln; für einen konstruktiven Arbeitsprozess sollte Konsens über die grundlegenden Ziele des Verfahrens herrschen.
Gruppengröße: 15-250 Personen
Zeitrahmen: 1-3 Tage
Kosten: Honorar für Moderator(en), Material, Verpflegung, ggf. Raummiete
Zielgruppe: interessierte Bürger, Verbände und Vereine, Fachleute, Politik und weitere relevante Akteure
Grad der Beteiligung: Konsultation/Mitgestaltung
Die Szenariotechnik, auf der ein Szenarioworkshop basiert, stammt ursprünglich aus dem militärischen Bereich, findet mittlerweile jedoch in unterschiedlichen Feldern Anwendung – von der Wirtschaft bis hin zur Politik. Auch in Bürgerbeteiligungsprozessen zu unterschiedlichen (Zukunfts-)Themen birgt diese Vorgehensweise ein hohes Potenzial für die Gestaltung gewünschter Entwicklungen. Bei einem Szenarioworkshop geht es im Kern darum, verschiedene, aber realistische Zukunftsbilder zu identifizieren. Dass diese Szenarien auf einer Vielzahl von Einflussfaktoren beruhen, macht sie detailliert und realistisch und bietet damit einen deutlichen Mehrwert gegenüber ähnlichen Methoden. Es wird zudem bestimmt, welche Entwicklungen wünschenswert sind, um Maßnahmen zu entwerfen, die diese herbeiführen oder fördern können.
Die konkrete Ausgestaltung des Workshops hängt zum einen von zeitlichen und finanziellen Ressourcen und zum anderen von der Gruppengröße ab. Wie ausdifferenziert die Szenarien werden können, hängt davon ab, wie viele Daten vorbereitet werden können und wie viel Zeit für die Szenarienentwicklung im Workshop zur Verfügung steht. Unter „Ablauf“ wird die ausführliche Form beschrieben, die im Normalfall drei Tage in Anspruch nimmt. Die Gruppengröße bestimmt das konkrete Format. Bei sehr großen Gruppen (einer „Szenariokonferenz“) müssen diese für die Arbeitsphase in kleinere Arbeitsgruppen aufgeteilt werden, deren Ergebnisse anschließend wieder zusammengeführt werden müssen. Dies nimmt entsprechend mehr Zeit in Anspruch.
Es ist hilfreich, die Teilnehmer gezielt einzuladen. Es sollten Vertreter aus den verschiedenen Interessengruppen und aus der allgemeinen Bürgerschaft sowie gegebenenfalls politische Entscheidungsträger eingeladen werden. Das Format ist für die Beteiligten anspruchsvoll, denn es müssen die Entwicklungen der Gemeinde oder Region gut durchdacht werden, um Einflussfaktoren zu ermitteln und diese miteinander zu Szenarien zu kombinieren. Selbst mit Unterstützung der Moderation sind ein Verständnis von komplexen Zusammenhängen und der Umgang mit Daten gefragt. Der Workshop profitiert daher von einer Mischung aus Fachleuten und interessierten Laien.
Vorbereitung:
Zunächst muss die Thematik aufbereitet werden. So sollte zunächst die genaue Fragestellung formuliert werden, zu der die Szenarien entwickelt werden. Zudem sollte sich die Vorbereitungsgruppe Gedanken machen, wer an dem Szenarioworkshop teilnehmen sollte, und die entsprechenden Personen anschreiben bzw. -sprechen und einladen.
Durchführung:
Nachbereitung:
Die Ergebnisse des Workshops sollten in einer Dokumentation zusammengefasst werden.
Der Unterschied zu einer Zukunftswerkstatt oder Zukunftskonferenz besteht darin, dass bei einem Szenarioworkshop keine Visionen entwickelt werden, sondern Szenarien, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreffen werden und aus möglichen Entwicklungen abgeleitet werden. Dass alle erarbeiteten Szenarien realistisch und plausibel sind, muss während der gesamten Arbeitsphase im Auge behalten werden.
Es sollte ein erfahrener Moderator oder ein Moderatorenteam engagiert werden. Wenn die Teilnehmer in mehrere Kleingruppen aufgeteilt werden, sollte möglichst jeder Gruppe ein Moderator zur Seite stehen.
Beispiele für die Anwendung der Szenariotechnik im Rahmen von Bürgerbeteiligungsprozessen gibt es bisher nur in geringer Zahl. Im Rahmen von Energie- und Klimaschutzfragen bietet sich dieses Format zwar an, es wird jedoch vor allem in wissenschaftlichen Studien angewandt. Anschauliche Beispiele mit Einbeziehung der Bürger sind in der Online-Recherche nicht zu finden. Daher soll das Beispiel des Potsdamer Stadtteils Drewitz, in dem es nur ganz am Rande um das Thema Energie ging, im Folgenden die Anwendung illustrieren.
2009 präsentierte die PRO POTSDAM GmbH, ein stadteigener Unternehmensverbund unter anderem zur Bewirtschaftung des Immobilienbestandes, ein Integriertes Entwicklungskonzept für den Stadtteil Drewitz. Dieses sah vor, dass der Stadtteil umfassend umgestaltet wird. Die Bevölkerung und die verschiedenen Interessengruppen sahen dieses Konzept jedoch teilweise sehr kritisch. Daher lud das Unternehmen zusammen mit dem Verein Soziale Stadt Potsdam e. V. und der STADTKONTOR GmbH Bewohner und verschiedene andere Stakeholder, wie z. B. lokale Gewerbetreibende, sowie Vertreter der Stadt zu einem Szenarioworkshop ein. Für die Durchführung und Moderation beauftragten sie eine Unternehmensberatung.
In diesem dreitägigen Workshop wurden mit Hilfe der Szenariotechnik drei verschiedene Entwicklungsszenarien und passende Strategien erarbeitet. Ergebnis war ein Forderungskatalog, der sich an die Kommunalpolitik und Wohnungswirtschaft richtet, aber auch ein Bekenntnis zur Gemeinschaft in Drewitz enthält.
Zunächst wurden Faktoren gesammelt, die die Entwicklung von Drewitz beeinflussen. Aus den 86 Faktoren wurden 13 Schlüsselfaktoren ausgewählt und für jeden Schlüsselfaktor eine Definition formuliert. Anhand dieser Faktorenauswahl wurde zudem der aktuelle Zustand des Stadtteils beschrieben und diskutiert. Anschließend ging es an die Szenarienentwicklung. Aus den Möglichkeiten, wie sich die Schlüsselfaktoren entwickeln könnten, wurden 40 Teilszenarien abgeleitet. Dann wurde überlegt, welche Teilszenarien zueinander passen könnten. Dafür bewerteten die Teilnehmer jeweils mit einer Schulnote, wie gut zwei Teilszenarien zueinander passen. Herauskamen 44.000 Datensätze, die vom Moderatorenteam daraufhin ausgewertet wurden, welche schlüssigen Gesamtszenarien sich ergeben. Das Ergebnis dieses Szenariotransfers waren drei Szenarien. Diese wurden im Hinblick auf ihre Chancen und Risiken diskutiert. Außerdem wurden für jedes Szenario Handlungsoptionen überlegt, die negative Entwicklungen verhindern und die positiven Entwicklungen stärken können. 19 Handlungsoptionen wurden identifiziert. Weiterhin wurden die Wahrscheinlichkeit und die Größe der Veränderung jedes Szenarios bewertet. Abschließend wurden sechs Forderungen abgeleitet, die sich auf das Entwicklungskonzept, auf die Beteiligung der Menschen sowie auf konkrete Maßnahmen wie den Ausbau der sozialen Infrastruktur beziehen.
Schon ein halbes Jahr nach dem Szenarioworkshop waren mehrere Forderungen der Teilnehmer erfüllt: Es wurde mit finanzieller Unterstützung der PRO POTSDAM ein Ladenlokal des Vereins Soziale Stadt Potsdam eröffnet, das ein Anlaufpunkt für an der Mitwirkung interessierte Bürger darstellt. Zudem bekannte sich die Stadtverordnetenversammlung zum Gartenstadtkonzept, eine weitere Forderung der Workshopteilnehmer.
Das Beispiel aus Potsdam zeigt, dass ein Szenarioworkshop die Chance bietet, Betroffene in die Entwicklung von Konzepten einzubeziehen. Der Workshop war für die Teilnehmer anspruchsvoll, da der Zeitrahmen kaum für die Diskussion der vielen Faktoren und Teilszenarien reichte und teils kontrovers diskutiert wurde. Jedoch blieben die Forderungen nicht ohne Wirkung.
Beim Zuschneiden des Themas sollte eine Balance gefunden werden, sodass es breit genug ist, damit verschiedene Szenarien entwickelt werden können, aber nicht zu breit, um den Aufwand realistisch zu halten. In diesem Rahmen kann das Thema Energieversorgung durchaus zusammen mit anderen Aspekten der kommunalen Entwicklung bearbeitet werden.